W.
G. Berendsohn, C. Häuser &
K.-H. Lampe
(1999)
Biodiversitätsinformatik in Deutschland: Bestandsaufnahme und
Perspektiven
Bonner Zoologische Monographien 45. Zool. Forschungsinstitut und Museum
Alexander Koenig, Bonn.
Es soll hier nicht weiter auf die Ökosystemebene eingegangen werden, da existierende Informationssysteme entweder bereits in Abschnitt 4.1 abgedeckt wurden, oder es sich um Komponenten von Forschungsprojekten handelt, für die Förderungsmechanismen existieren. Zu dieser Kategorie sind z.B. zu rechnen: Projektbezogene, institutsinterne Datenbanken des Zentrums für marine Tropenökologie, Bremen, z.B. das BMBF finanzierte MADAM-Projekt (MAngrove Dynamics And Management in Brazil); Teile der PANGAEA Datenbank des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven; die Datenbanken der im Programm Man and Biosphere anerkannten Projekte zur "Ökosystemforschung Bornhöveder Seenkette" im Ökosystemzentrum in Kiel (gefördert vom BMBF) und zum Ökosystemforschungsprogramm Wattenmeer (interdisziplinäres Verbundprojekt von BMU, BMBF und den Ländern Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein); auch das bereits erwähnte ELISE gehört hierher.
Auf der Ebene der Organismen werden im Folgenden zunächst Datenbanken dargestellt, die potentiell vollständige Beiträge zu globalen oder zumindest europäischen Organismenregistern darstellen, d.h. die eine Organismengruppe vollständig abdecken sollen. Dabei ist anzumerken, dass die (ungeordnete) Liste keineswegs als vollständig anzusehen ist; ein mit Aussicht auf Förderung verbundener öffentlicher Aufruf würde vermutlich eine ganze Reihe weiterer, teilweise von Wissenschaftlern individuell gehaltener, aber sehr wertvoller Datenbestände zu Tage fördern. Dies gilt im Prinzip auch für die weiter unten aufgelisteten Sammlungsinformationssysteme, deren Bedeutung erst kürzlich in einem Papier der Direktorenkonferenz Naturwissenschaftlicher Forschungssammlungen Deutschlands herausgestellt wurde (Naumann & Greuter 1997). Schließlich wird anhand von Beispielen ein Bereich angeschnitten, der im vorgehenden Text nur im Zusammenhang mit ökologischen und molekularen Fragestellungen implizit angesprochen wurde, auf der Ebene der Organismen aber weitgehend vernachlässigt wurde: Die Erschließung von an Organismenregister oder Belegdatenbanken gebundener Information.
Die EMBL Reptile Database (Uetz 1999) am European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg ist eine von Freiwilligen im Rahmen der AG Systematik der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie (DGHT) unterstützte, nicht-kommerzielle Datenbank aller lebenden Reptilienarten (Datenbank der Fossilien in gleicher Struktur vorhanden, aber zur Zeit nicht gepflegt). Es handelt sich um knapp 8000 Taxa mit zahlreichen Synonymen (diese allerdings noch nicht vollständig). Zur Realisierung des Systems wurde ein im molekularbiologischen Bereich erprobtes Datenbanksystem verwandt.
Am Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig in Bonn ist das Projekt Faunistik der Blatt- und Samenkäfer Mitteleuropas (Coleoptera: Chrysomelidae, Bruchidae) angesiedelt. Das Projekt geht auf eine Privatinitiative des Koordinators M.T. Schmitt zurück und wurde im Rahmen einer bereits abgelaufenen 2-jährigen AB-Maßnahme begonnen. Die systematischen Einträge berücksichtigen nur die Arten Mitteleuropas; jede Art wurde einer sorgfältigen Validitätsprüfung unterzogen. Die Liste der Synonyme ist unvollständig.
An der Universität Bielefeld arbeitet M. von Tschirnhaus mit einem englischen Kollegen (Henshaw) an einem Weltkatalog für die Dipteren-Familien Agromyzidae und Chloropidae mit vollständiger Synonymisierung, der als Buch erscheinen soll. Es handelt sich um 2736 Arten (insgesamt mehr als 5000 Taxa), die auch als PC-Datenbank (dBASE) vorliegen. Ein Verzeichnis der Käfer Deutschlands (Köhler & Klausnitzer 1998) ist in der Serie Entomofauna Germanica erschienen. Der Katalog wird auch als dBASE-Datei angeboten und umfaßt fast 9000 Datensätze. Ein zweiter Band dieser Serie ist die Checkliste der Dipteren Deutschlands mit fast 9200 Arten aus 117 Familien (Schumann et al. 1999); der Vertrieb einer digitalisierten Form ist vom Herausgeber bislang nicht vorgesehen. Schließlich soll ein dritter Band, das Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (Gaedicke & Heinicke), noch 1999 als Beiheft 5 zu den Entomologischen Nachrichten und Berichten (Dresden) erscheinen.
Auch am Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg liegen in Form von Arbeitslisten einzelner Bereiche Datenbestände aus der Zoologie vor. Hier ist z.B. eine Liste der europäischen Crustacea Decapoda zu nennen (eine solche für das Rote Meer ist im Aufbau), die langfristig zu einer globalen Liste ausgebaut werden soll (M. Türkay, pers. comm. 1999). Die Taxonomische ArbeitsGruppe (TAG) ist eine zentrale deutsche Einrichtung für die Forschung zur Taxonomie mariner Organismen, die vormals an der Biologischen Anstalt Helgoland angesiedelt war und jetzt im Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) aufgehen soll. Die TAG arbeitet zur Zeit an mehreren globalen Artenlisten; so ist eine EDV-gestützte globale Artenliste der Dinoflagellaten in Vorbereitung, in die die vorliegenden handgeschriebenen Karteien überführt werden, außerdem liegt eine von K. Riemann-Zürneck erstellte globale Artenliste der Tiefsee-Actinaria handschriftlich auf Karteikarten vor (M. Elbrächter, pers. comm.).
Im Systax System, einem Datenbanksystem für Systematik und Taxonomie unter dem Datenbankverwaltungssystem Oracle, das in langjähriger Zusammenarbeit zwischen Botanikern und Informatikern an der Universität Ulm unter der Leitung von T. Stützel entwickelt wurde, werden neben den Namen aus dem im Abschnitt 4.3 erwähnten Informationssystem Botanischer Gärten auch die Daten mehrerer botanischer Checklistenprojekte (Annonaceae, Asclepiadaceae pro parte, Boraginaceae, Eryocaulaceae, Gesneriaceae und epiphylle Moose und Flechten) geführt (J.R. Hoppe, pers. comm. 1998).
Die seit 1994 am Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin-Dahlem (BGBM) aufgebaute Global Plant Checklist Database (Vascular Plants) der Internationalen Organisation für Pflanzeninformation (IOPI) umfaßt inzwischen über 240 000 Datensätze, die von zahlreichen Mitgliedern der Organisation eingebracht wurden. IOPI ist als Kommission der International Union of Biological Sciences (IUBS) anerkannt. Der IOPI gehören 77 botanische Institutionen in 41 Ländern an, darunter fast alle bedeutenden Herbarien. Unterstützung des Global Plant Checklist Projekts erfolgte (in kleinem Rahmen) u.a. durch CODATA, IAPT (International Association for Plant Taxonomy) und das USDA (United States Department of Agriculture). Auf Grund des Fehlens internationaler Fördermittel konnte der 1993 im Projektplan festgeschriebene Aufbau eines globalen Systems bislang nicht erfolgen, obwohl eine fast alle Gruppen der Gefäßpflanzen abdeckende Liste von zur Mitarbeit bereiten Taxonomen vorliegt. Das Berliner System (unter dem Datenbankverwaltungsprogramm Microsoft SQL-Server) erlaubt aufgrund seines Datenmodells eine Parallelhaltung von verschiedenen taxonomischen Auffassungen zu einem Namen, so dass eine solche Aufarbeitung auch nachträglich erfolgen kann.
Für das Pilotprojekt der IAPT zur globalen Erfassung neu veröffentlichter Pflanzennamen wurde am BGBM ein Datenerfassungsprogramm in MS-Access 97 erstellt, das neben dem Namen selbst die Eingabe aller nomenklatorisch relevanten Informationen erlaubt. Eher im Sinne einer Stabilisierung der Nomenklatur gedacht, aber dennoch ein globales Register darstellend, ist hier auch die Liste der verwendbaren Pflanzengattungsnamen (Names in current use of extant plant genera) als Datenbank mit 28 041 Datensätzen verfügbar.
Die Med-Checklist Database, eine bislang zu 60% fertiggestellte Liste (Greuter et al. 1984, 1986, 1989) der in den an das Mittelmeer angrenzenden Ländern vorkommenden Pflanzen (20 500 Datensätze), wird ebenfalls vom BGBM verwaltet. Neben nomenklatorischen Details, Synonymen und zahlreichen Verweisen von falsch angewandten Namen wird der Vorkommensstatus in jeder betroffenen Region angegeben. Diese Datenbank soll zusammen mit der Flora Europaea Database den Grunddatenbestand für die projektierte Euro+Med Plantbase (Jury 1998) bilden.
Im Einklang mit weltweiten Initiativen (vergl. Butler 1998) wie Systematics Agenda 2000 und Diversitas (s. Abschnitt 3.1), der europäischen CETAF Initiative und vor dem Hintergrund der immer drängenderen finanziellen Restriktionen haben sich 1996 die Direktoren der größten Forschungssammlungen in Deutschland zu einer ständigen "Direktorenkonferenz naturwissenschaftlicher Forschungssammlungen Deutschlands" (DNFS) zusammengeschlossen. Als erstes Ergebnis wurde Ende 1997 ein Papier zu Funktion, Situation und Perspektiven der biologischen Sammlungen vorgelegt (Naumann & Greuter 1997), in dem auf das völlige Fehlen eines Förderungsinstruments hingewiesen wurde, welches den Sammlungen die Erfüllung der neu an sie herangetragenen Aufgaben ermöglichen könnte. Hierzu zählt vor allem die Erschließung der enormen, mit den Belegen verbundenen Biodiversitätsinformation mittels der elektronischen Datenverarbeitung. Solche Collection Management Grants existieren seit mehreren Jahren z.B. in den USA, Australien, Kanada und Mexiko, aber auch in einigen europäischen Staaten (Dänemark, Niederlande, Schweiz, Großbritannien).
Wie bereits erwähnt, liegt bisher keine vollständige Übersicht zum Stand der Datenerfassung in den biologischen Sammlungen Deutschlands vor, aber auf Grund der bereits eingegangenen Resultate der BioCISE Projektumfrage, der Ergebnisse der EDV-Arbeitsgruppe der DNFS und eigener Erfahrungen der Autoren lassen sich mehrere Aussagen treffen:
Die Verantwortlichen in den Sammlungsinstitutionen sind sich der Dringlichkeit des Einstiegs in die Informationsgesellschaft vollauf bewußt und tun ihr Möglichstes, um die Bestände elektronisch zu erfassen.
Es findet nur in wenigen Teilbereichen eine echte Koordination statt, dadurch kommt es zu erheblichen Doppelarbeiten.
Die mit der Erstellung eines Sammlungsdatenerfassungsprogramms verbundenen Schwierigkeiten, von der Planung des Systems über die Erstellung einer Datenbank bis hin zur Datenerfassung selbst, wurden von den Leitungen oft weit unterschätzt. So werden informationstechnisch unzulänglich qualifizierte Mitarbeiter, oft Kustoden, mit dem Problem der Erstellung einer Datenbank konfrontiert, wodurch es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der kustodialen Aufgaben kommt. Oder es wird versucht, die Datenbankerstellung einem mit der komplexen Sammlungsinformation nicht vertrauten Programmierer zu überlassen.
International bereits gemachte Erfahrungen sowie Standards werden selten berücksichtigt.
Die Lebendsammlungen weisen generell einen besseren elektronischen Erfassungsstand auf, wohl aufgrund der Tatsache, dass hier im Gegensatz zu vielen Präparatesammlungen schon traditionell Erfassungen der Belege in Karteien erfolgten. Neben den bereits erwähnten Zoologischen Gärten (Abschnitt 3.3) und Sammlungen genetischer Ressourcen (4.3.) weisen auch die mikrobiologischen Sammlungen generell einen sehr guten Erfassungsstand auf (z.B. die an der DSMZ oder am Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft gehaltenen). Die Botanischen Gärten Deutschlands weisen ebenfalls zentrale Organisationsansätze auf. So werden z.B. die Botanischen Gärten Ulm und Bochum gemeinsam über das Netzwerk im SysTax System in Ulm verwaltet. Weitere sechs übergeben regelmäßig Bestandslisten an SysTax zwecks gemeinsamer Abfrage über das System und weitere Gärten stellen ihre Samentauschlisten im System zur Verfügung. Mehrere Botanische Gärten verwalten ihre Bestände im "DIDEA-FR" Programm, einem Ende der 80er Jahre entwickelten PC-Programm, welches auf einem damals von BGCI (Botanic Garden Conservation International) erstellten und von der TDWG anerkannten einfachen Datenaustauschformat beruht.
Im Gegensatz zum ersten Eindruck gilt, dass auch in den deutschen naturkundlichen Präparatesammlungen überraschend viele Datenbanken existieren. Hier sollen nur einige exemplarisch genannt werden, wobei wiederum die strukturellen Details, von denen letztendlich die Qualität der gewonnenen Information und ihre Interoperabilität in Netzwerken abhängt, nicht bewertet werden.
Am Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig, Bonn (ZFMK), wurde mittels des seit 1990 in Kooperation mit dem Zoologischen Museum des Naturhistorischen Museums der Humboldt-Universität Berlin (ZMB), dem Museum für Tierkunde in Dresden (MTD) und dem Deutschen Entomologischen Institut in Eberswalde (DEI) entwickelten Programms BIODAT (Sammlungsinformations-Managementsystem) eine Erfassung von Sammlungsdaten vorgenommen. BIODAT ist ein unter DOS lauffähiges, auf Paradox (runtime) aufsetzendes Einzelplatzprogramm. Derzeitiger Stand der Sammlungserfassung am ZFMK: 6000 Wirbeltiere, 21 000 Vögel und 7500 Insekten (Zikaden), am MTD ca. 20 000 Datensätze Insekten, 10 000 Datensätze Mollusca, 15 000 Datensätze Wirbeltiere, und mehrere 1000 Fische; am DEI liegen u.a. für Coleoptera: Curculionidae etwa 50 000, für Hymenoptera 25 000 Datensätze vor. Die Erfassungen am MTD und am DEI wurden mit auf dem BIODAT-Stammprogramm aufbauender Erfassungssoftware vorgenommen.
Am Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt/M. wurde schon Mitte der 80er Jahre mit der computergestützten Sammlungserfassung begonnen. Das Großrechnersystem wurde Mitte der 90er Jahre auf ein Client-Server System mit Sybase als Backend umgestellt. Das Frontend, SeSam (Senckenbergisches Sammlungsverwaltungsprogramm) wurde in MS-Access programmiert und greift auf Serverdaten zu. Bisher wurden die Daten zu 70 000 zoologischen Belegen erfaßt.
Am Phyletischen Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena liegen im Katalog der zoologisch-paläontologischen Sammlungen bereits über 100 000 Datensätze (von insgesamt ca. 450 000) vor. Bei der Datenbank handelt es sich um ein bereits 1986 entwickeltes dBASE III+ System unter MS-DOS, welches sich nach Aussage der Benutzer gut bewährt hat.
Am Staatlichen Museum für Naturkunde Görlitz existiert eine Sammlungsdatenbank unter dBASE IV (Einzelplatz), die 1994 entwickelt wurde und seither unverändert in Benutzung ist. Bisher wurden etwa 100 000 Datensätze (von 900 000) eingegeben.
Ein Beispiel für eine außerhalb der üblichen naturhistorischen Sammlungen stehende Institution mit projektbezogenem Fokus ist die Forschungsstelle für Ökosystemforschung und Ökotechnik (FSÖ) der Christian-Albrechts-Universität Kiel. In der "Faunistisch ökologischen Datenbank" der FSÖ, gehalten in einer relationalen Datenbank unter Ingres auf AIX sind z.Zt. bereits 650 000 Datensätze zu Invertebratenaufsammlungen registriert.
Als ein Beispiel aus einer kleineren Institution mag hier das Museum für Ur- und Frühgeschichte in Bottrop dienen; mittels des Programms "Museumsmanager" (unter Superbase Professional und Windows) wurden hier seit 1988 18 000 der insgesamt 30 000 zoologischen und paläontologischen Sammlungsobjekte erfaßt.
Auch im privaten Bereich existieren umfangreiche, teilweise institutionsübergreifende zoologische Sammlungsdatenbanken (meist in direkter Verbindung mit Artenregistern). Als Beispiel sei hier die von H. Wolf in Plettenberg aufgebaute dBASE-Datenbank europäischer und palaearktischer Pompilidae genannt, welche, basierend auf dem von ihm seit 1950 gesichteten Material, etwa 50 000 Sammlungsdatensätze mit Fundort, Sammlername, Sammlungsverbleib und Sammeljahr, und damit verbunden ca. 5000 validitätsüberprüfte Taxa enthält.
Am Naturhistorischen Museum der Humboldt-Universität Berlin hält D. Lazarus größere Datenbestände zu den Radiolarien (rezent und fossil), die auf Grund ihrer Bedeutung in der Paläoozeanographie, der Global Change und der Evolutionsforschung besondere Beachtung verdienen. Ein internationales Netzwerk von Spezialisten besteht, zumal das Naturhistorische Museum letztlich als eines von acht globalen Radiolarian Marine Micropaleontology Reference Centers anerkannt wurde.
Die großen Herbarien haben bisher, wohl aufgrund der generell schwierigen kuratoriellen Lage, kaum Sammlungserfassung betrieben. In Berlin wurde Anfang der 90er Jahre im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme die getrennt vom Generalherbar aufbewahrte Frucht- und Samensammlung erfaßt. Das damals erstellte dBASE Programm wurde später in ein MS-Access System umgewandelt. Daneben existieren Erfassungen von Teilen des Herbars, die in laufende Forschungsprojekte eingebunden sind; so z.B. die aus Griechenland stammenden Belege in der Flora Hellenica Database in Kopenhagen, sowie die El-Salvador-Belege in der gemeinsam mit dem dortigen Botanischen Garten seit Ende der 80er Jahre aufgebauten Datenbank.
Das Systax System wurde um ein Modul zur Herbarverwaltung erweitert, welches z.Zt. im Herbarium der Universität Ulm und der Universität Gießen sowie im Herbarium der Staatssammlung München eingesetzt wird.
Organismenregister und Belegdatenbanken bilden die primäre Informationsgrundlage für die globale Biodiversitätsinfrastruktur. Information auf der molekulargenetischen wie auf der Ökosystemebene muß letztendlich an Organismen festgemacht werden, aus oder von denen die Gene (ab)stammen, oder aus denen die Ökosysteme zusammengesetzt sind. Die Belege sichern dabei die Reproduzierbarkeit des wissenschaftlichen Ergebnisses und bilden gleichzeitig die Ausgangsbasis für neue Analysen.
Aber auch auf der organismischen Ebene selbst bestehen Verknüpfungen zu anderen Themen. Als Beispiel soll hier die Verbindung zu deskriptiver Information (Wie sieht der Organismus aus, wie kann man ihn von anderen unterscheiden?), die zu chemischer Substanzinformation (Was enthält der Organismus?) und die in der Biodiversitätsforschung wichtige Verbindung zu geographischer (Wo kommt der Organismus vor, wieviele Organismen kommen wo vor?) angeschnitten werden.
Für das computergerechte Kodieren taxonomischer Beschreibungen wurde bereits vor über einem Jahrzehnt die Descriptive Language for Taxonomy (DELTA) entwickelt und auch als TDWG Standard anerkannt. Ursprünglich vor allem als ein Hilfsmittel für die computergestützte Erstellung von Bestimmungsschlüsseln und Beschreibungstexten gedacht, ist DELTA inzwischen vor allem auch durch deutsche Initiativen in den Bereich der deskriptiven Datenbanken und damit der Analyse großer Merkmalsdatensammlungen vorgedrungen. Hier sollen genannt werden:
Das LIAS System (DELTA-based determination and data storage system for LIchenized and lichenicolous AScomycetes, Rambold & Triebel 1999) an der Botanischen Staatssammlung München, mit Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Hier entsteht eine DELTA Datensammlung für alle Flechtengattungen weltweit, die bereits weitgehend komplett ist. Ein generischer Bestimmungsschlüssel kann über das WWW benutzt werden. LIAS ist ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche internationale Kooperation vieler Wissenschaftler, die ohne die Bereitstellung einer technischen Infrastruktur nicht zustande gekommen wäre.
DeltaAccess ist ein public domain Programm, welches von G. Hagedorn (1999, Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft) entwickelt wurde, und welches die eigentlich an ein Textformat gebundene DELTA Struktur in eine relationale Datenbank umsetzt. Damit wird es möglich, die deskriptive Information mit zahlreichen statistischen und numerisch-taxonomischen Funktionen zu analysieren, neben der traditionellen on-line Bestimmung und Beschreibungstextausgabe, die ebenfalls im Funktionsumfang des Programms enthalten ist. Dem open source software Konzept entsprechend wurden in internationalen Kooperationen u.a. bereits zwei World-Wide-Web Schnittstellen entwickelt, die z.B. interaktive Identifikation über das WWW erlauben.
Zwei ganz andere Projekte sollen das Potential für interdisziplinäre Integration von Organismendaten aufzeigen, die sowohl eine ökonomische als auch eine taxonomische Bedeutung haben:
Im Verlauf ihrer in den 60er Jahren begonnenen Forschungen über die Chemie der Compositen hat die Arbeitsgruppe F. Bohlmann an der TU-Berlin eine Kartei zu Inhaltsstoffen und Arten der Compositen aufgebaut, die nach Bohlmanns Tod von C. Zdero und J. Jakupovic weitergeführt wurde und als zu 98% komplett gelten kann; d.h. sie enthält fast alle jemals für Compositenarten publizierten oder in eigenen Arbeiten gefundenen Inhaltsstoffe. Seit 1994 wurden die Daten in eine ISIS/PC Datenbank überführt (die Bohlmann Files), die auf dem WWW zugänglich gemacht werden kann. Ein Entwurf für ein relationales Datenbanksystem für die mit den Strukturen verknüpfte taxonomische und bibliographische Information liegt vor. In Kombination mit einem aktualisierten und von Experten revidierten Register der Compositen könnten die hier vorhandenen Angaben (über 5000 Arten, über 20 000 Substanzen) als Basis für weitergehende systematische und anwendungsorientierte (vor allem pharmazeutische) Forschungen dienen.
Phytopathogene Pilze gehören größtenteils klar abgegrenzten taxonomischen Gruppen an und stellen gleichzeitig eine wirtschaftlich und ökologisch besonders wichtige Gruppe dar. Die frühzeitige Bestimmung von Schadorganismen kann den Einsatz umweltschädlicher Pestizide reduzieren oder sogar vermeiden. Ein Wirtspflanzenindex phytopathogener Pilze (Arbeitstitel: HostIndex), verbunden mit der Möglichkeit, Bestimmungen interaktiv über das WWW durchzuführen, bietet die besonders interessante Möglichkeit, mehrere Organismenregister (Wirte und Parasiten) zusammen mit deskriptiver Information in einer gemeinsamen Anwendung zu vereinen. Von G. Deml in Berlin werden in der MINOS Datenbank (G. Hagedorn) des Instituts für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit der BBA ca. 3200 nomenklatorische Datensätze und 3700 Sammlungsbelege von Brandpilzen (Ustilaginales s.l., Basidiomycetes) gehalten. H. Bauch, Auenwald, verfügt über eine unveröffentlichte Datenbank mit 9000 erfaßten Wirt-Parasit-Interaktionen von Rostpilzen (Uredinales, Basidiomycetes). Beide Datenbanken würden sowohl für ein globales Register der pflanzenparasitischen Pilze als auch für ein Wirt/Parasit Indexprojekt zur Verfügung stehen.
Schließlich soll anhand eines Projektbeispiels noch auf den geographischen Themenkomplex eingegangen werden. Globale Verbreitungsinformation zu Arten beruht im allgemeinen auf Beleginformation, und die Herbarien und zoologischen Sammlungen enthalten enorme Mengen derartiger Informationen. Der Einsatz von Geographischen Informationssystemen zur Darstellung und Analyse derartiger Daten steht im Mittelpunkt des folgenden Projekts.
Das Projekt Kartierung der globalen Phytodiversität – BIOMAPS (Biodiversity Mapping for Protection and Sustainable Use of Natural Resources) an der Universität Bonn (Arbeitsgruppe Barthlott) soll Erkenntnisse zur Verteilung der globalen Biodiversität bereitstellen. Dazu werden auf der Basis vorliegender Einzelstudien detaillierte Karten der Phytodiversität erstellt, die funktionalen Zusammenhänge zwischen Geodiversität und Phytodiversität erarbeitet und skizziert, und operationalisierbare Indikatoren für ein kontinuierliches Monitoring der Phytodiversität untersucht und identifiziert. Als Basis dienen floristische und vegetationskundliche Daten, räumlich differenzierte Geobasisdaten, Vegetationskarten und aus Fernerkundungsdaten abgeleitete phänologische Indikatoren, die integrativ in einem Geographischen Informationssystem (GIS) verarbeitet werden. Das Projekt wird in enger Kooperation mit dem Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DLR/DFD), Abteilung Umweltsysteme (G. Braun) und dem Geographischen Institut der Universität Bonn durchgeführt.
Inhalt | 1. Biodiversitätsinformation | 2. Biodiversitätsinformatik | 3. Internationale Strukturen: 3.1. Politischer Rahmen; 3.2. Umsetzung international, 3.3. Initiativen; 3.4. Standardisierung | 4. Strukturen in Deutschland: 4.1. Umsetzung internationaler Übereinkommen; 4.2. Umweltinformationssysteme; 4.3. Genetischen Ressourcen; 4.4. Gobale Biodiversität; 4.5. Zusammenfassung | 5. Strategie und Prioritäten: 5.1. National koordinierte Forschungsförderung; 5.2. Verbesserung der Infrastruktur; 5.3. Informationserschließung | Danksagung | Zitierte Literatur | Abkürzungen | Home
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