W.
G. Berendsohn, C. Häuser &
K.-H. Lampe
(1999)
Biodiversitätsinformatik in Deutschland: Bestandsaufnahme und
Perspektiven
Bonner Zoologische Monographien 45. Zool. Forschungsinstitut und Museum
Alexander Koenig, Bonn.
Das Ziel von Projekten in diesem Bereich ist, die bereits vorhandenen und die entstehenden biodiversitätsinformatischen Ressourcen miteinander zu verknüpfen, und zwar sowohl in sachlicher als auch in organisatorischer und persönlicher Hinsicht:
In sachlicher Hinsicht ist hier vor allem die Entwicklung und Veröffentlichung von Datenstruktur- und Austauschstandards anzustreben, die auf geeigneten Datenmodellen aufsetzen. Es handelt sich dabei teilweise um Anpassungen und Übersetzungen aus dem Englischen von bereits veröffentlichten internationalen Standards.
In organisatorischer und persönlicher Hinsicht geht es um den Erfahrungsaustausch unter den Institutionen und den jeweils für Biodiversitätsinformatik zuständigen Fachleuten und ggf. die gemeinsame Entwicklung von Projekten. Mittelfristig ist hier in Form einer Selbstorganisation das Ziel einer Schaffung von nationalen Koordinierungsstellen für verschiedene Informationssysteme ins Auge zu fassen, wobei es vermutlich sinnvoll wäre, die Bereiche Mikrobiologie, terrestrische Zoologie, Botanik, marine Biologie und Paläontologie zu trennen.
Eine wichtige Grundlage hierfür wäre die Erfassung von deutschen Projekten und Strukturen im Sinne eines ständig gepflegten Projektregisters. Dies könnte u.U. als eine Komponente in den deutschen Clearinghouse Mechanismus integriert werden. Im Bereich biologische Sammlungen kann dabei auf den Datenbestand und die Datenbank des BioCISE Projekts zurückgegriffen werden. Weiterhin sollte hier auch eine zentrale Erfassung (und damit Koordinationsmöglichkeit) für Biodiversitätsdaten, die im Rahmen deutscher Entwicklungshilfeprojekte im Ausland erhoben werden, geschaffen werden.
Die Bedeutung einer institutions- und länderübergreifenden Koordination in Deutschland wird in der Übersicht der in Deutschland gegenwärtig durchgeführten Projekte im Bereich organismischer Biodiversitätsinformatik (vgl. Abschnitt 4.4) deutlich. Es mangelt durchaus nicht an substanziellen Ansätzen und teilweise beachtlichen, bereits digitalisiert verfügbaren Datenbeständen. Als nachteilig erweist sich jedoch das weitgehende Fehlen einer überregionalen Koordination, die einen effektiven Datenaustausch sowie die Zusammenführung der zahlreichen unterschiedlichen Projekte und Vorhaben, die sich oft mit denselben Organismengruppen befassen, erleichtern würde. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Institute immer noch nicht über eine effiziente Anbindung an internationale Datennetze verfügen. Der Mangel an Integration auf nationaler Ebene erzeugt zusätzliche Probleme bei der internationalen Einbindung deutscher Vorhaben, da hier in Deutschland oft zu viele potenzielle Ansprechpartner vorhanden sind. Weiterhin wirkt sich in Deutschland das Fehlen zentraler Förderinstrumente für die Informationserschließung als nachteilig aus (Naumann et Greuter 1997, vgl. NSF 1998), die beispielsweise die Möglichkeiten zur Schaffung und Einhaltung allgemeiner technischer Standards und einheitlicher Informationsstrukturen deutlich verbessern würden.
Schaffung von - oder Anbindung an - Standarddatenkataloge
Hiermit sollte das Ziel verfolgt werden, übergreifende Standarddatenkataloge zu schaffen oder eine Mitbenutzung solcher Kataloge zu sichern. Dabei handelt es sich um Datensammlungen (von einfachen Tabellen bis zu komplexen Systemen), die in andere Biodiversitätsdatenbanken integriert, aber an der Ursprungsstelle gepflegt werden. Es handelt sich also um eine den Organismenkatalogen analoge Vernetzungsaufgabe; die Priorität sollte bei den Themenbereichen geographische Angaben, Literaturdatenbanken und taxonomische Informationssysteme oberhalb der Artebene liegen.
Die Begründung für eine getrennte Förderung solcher Projekte ist, dass es eine ganze Reihe von Datenbereichen gibt, die in verschiedenen Organismenregistern und Sammlungsdatenbanken Verwendung finden und deren Parallelentwicklung in jedem einzelnen Projekt verhindert werden sollte. So ist z.B. für das vorrangige Ziel einer vollständigen Inventarisierung der Biosphäre die Ermittlung der räumlichen Verbreitung der Organismenarten von zentraler Bedeutung, d.h. die Erfassung von geographischer Information ist dringend geboten. Konkrete Verbreitungsdaten bei Sammlungsbelegen bestehen in der Regel in der Angabe von Ortsnamen bzw. sind an Ortsnamen ausgerichtet. Eine Angabe geographischer Koordinaten, wie sie für eine informationstechnische Umsetzung solcher Verbreitungsangaben am günstigsten ist, ist in der Mehrzahl der Fälle nicht vorhanden. Wichtig aus der Sicht der Biologie sind daher die Verfügbarkeit von globalen Ortsnamenregistern (gazetteers) bei der Datenerfassung bzw. die Nutzung von Informationssystemen, die eine Zuweisung von Koordinaten zu Ortsnamensangaben (unter Angabe des dadurch entstehenden Fehlers) ermöglichen. So besteht dann umgekehrt auch die Möglichkeit, Daten zum Vorkommen bestimmter Organismenarten in bereits bestehende, z.B. umweltorientierte geographische Informationssysteme einzuspeisen, wie dies auf lokaler Ebene bereits erfolgreich praktiziert wird (vgl. Abschnitt 4.1, z.B. ALBIS). Eine einheitliche Strukturierung geographischer Angaben zu Organismenarten erleichtert zudem für externe Nutzer den Zugang zur jeweils relevanten Information.
Inhalt | 1. Biodiversitätsinformation | 2. Biodiversitätsinformatik | 3. Internationale Strukturen: 3.1. Politischer Rahmen; 3.2. Umsetzung international, 3.3. Initiativen; 3.4. Standardisierung | 4. Strukturen in Deutschland: 4.1. Umsetzung internationaler Übereinkommen; 4.2. Umweltinformationssysteme; 4.3. Genetischen Ressourcen; 4.4. Gobale Biodiversität; 4.5. Zusammenfassung | 5. Strategie und Prioritäten: 5.1. National koordinierte Forschungsförderung; 5.2. Verbesserung der Infrastruktur; 5.3. Informationserschließung | Danksagung | Zitierte Literatur | Abkürzungen | Home
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